Schmid, Dr. Angelika
Gemeinsam mit den Schweizer Künstlern Paul Klee und Louis Moilliet unternahm August Macke vom 6. bis zum 22. April 1914 eine Reise nach Tunesien, die als „Glücksfall für die Kunstgeschichte“ gilt. Während dieser 14tägigen Rundreise fertigten die drei eine Vielzahl von Zeichnungen und Aquarellen an. Etliche davon wurden für Macke bei seiner Rückkehr nach Hilterfingen in der Schweiz zu Inspirationsquellen für berühmt gewordene Gemälde wie das „Türkische Café I und II“. Einerseits faszinierte Macke vor allem die für europäische Augen fremdartige Kleidung der männlichen Bevölkerung, andererseits schlug sich der intensive Arbeitsaustausch mit Paul Klee in seiner eigenen Bildgestaltung nieder. Beide Künstler gerieten in einen wahren Schaffensrausch. Während Klee konstatiert, „im alles durchdringenden, alles zusammenziehenden und entmaterialisierten Licht Nordafrikas die Eigengesetzlichkeit der Farbe“ zu entdecken, schreibt Macke an seine Frau Elisabeth: „Ich bin in einer Arbeitsfreude, wie ich sie nie gekannt habe.“ Klee, Macke und Moilliet, der Tunesien schon vorher bereist hatte und quasi als Reiseleiter für die anderen fungierte, trugen mit ihren damals realisierten Werken zu einem neuen Orientbild in der Kunst bei.
Oskar Kokoschka (1886 - 1980) und Alma Mahler (1879 - 1964) Liebeswahn und Ausdruckskraft Im Wien des beginnenden 20. Jahrhunderts verliebte sich der am Beginn seiner Karriere stehende expressionistische Maler Oskar Kokoschka in Alma Mahler, seit 1911 Witwe des berühmten Komponisten Gustav Mahler und bekannte Salonnière der Wiener Gesellschaft. Es beginnt eine leidenschaftliche, obsessiv zu nennende dreijährige Liebesbeziehung, die Oskar Kokoschkas Persönlichkeit nicht nur zutiefst erschütterte, sondern auch zu zahlreichen Gemälden, Zeichnungen, Fächern und einem Wandbild motivierte. Als eines der bedeutendsten Zeugnisse dieser intensiven, besitzergreifenden Liebe gilt das Bild „Die Windsbraut“ von 1913/14, das heute zum Bestand des Kunstmuseums Basel gehört, und das den frühexpressionistischen Lyriker Georg Trakl zu dem Gedicht „Nacht“ inspirierte. Den Höhepunkt dieser kreativen Besessenheit stellt eine lebensgroße Puppe mit dem Erscheinungsbild von Alma Mahler dar. Diese ließ der Künstler Jahre nach Beendigung der Beziehung 1919 nach seinen Entwürfen von der Puppenmacherin Hermine Moos anfertigen. „Frau in Blau“, im selben Jahr entstanden, war das erste Gemälde, welches diese Puppe zum Thema hat und einen prägnanten Wendepunkt in Kokoschkas Malweise ankündigt. Zum ersten Mal seit über 30 Jahren wurde im Frühjahr 2025 in einer Ausstellung des Essener Folkwang Museums ein Großteil der Werke vereint, die die „Amour fou“ zwischen Kokoschka und Mahler zur Anschauung bringt.
Otto Müller (1874 - 1930) gehört zu den weniger bekannten Expressionisten: Obwohl nicht Gründungsmitglied der Künstlervereinigung „Die Brücke“ war er von 1910 bis 1913 ein bedeutsames Mitglied. Wie E. L. Kirchner, E. Heckel oder M. Pechstein wandte er sich von der akademischen Malerei ab und versuchte, durch Reduktion auf Form, Fläche und Farbe die Ausdruckskraft seiner Bilder zu steigern. So formulierte er: „Hauptziel meines Strebens ist, mit größtmöglicher Einfachheit Empfindungen von Landschaft und Mensch auszudrücken.“ Folgerichtig steht vor allem der weibliche Akt in der Landschaft im Mittelpunkt seines Schaffens. Als Inspirationsquelle für das freie Leben und ein intensives Naturerlebnis dienten ihm ebenso wie seinen Malerkollegen Sehnsuchtsorte und fremde Kulturen. Bei Müller, der seine Bilder bevorzugt mit Leinöl auf Jutegewebe malte – was die Farben gedämpfter erscheinen lässt – war das neben Fehmarn und Böhmen vor allem der Balkan. Anlässlich seines 150. Geburtstages widmete das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster Otto Müller im Herbst/Winter 2024/25 eine umfassende Ausstellung mit nationalen und internationalen Leihgaben.